Nun ist es also soweit. Etwas, das mir seit mehreren Jahren im Kopf rumschwebt, seit knapp einem Jahr in die Wege geleitet wurde und seit etwa einem halben Jahr in der konkreten Planung ist, nimmt endlich Gestalt an. Ich sitze im Zug nach Bordeaux (mehrmaliges Umsteigen inklusive), um von dort aus an Bord eines Segelschiffes einen Ozean zu überqueren. Abenteuer Transatlantik!

Die Crew kenne ich zum großen Teil schon. Vor vier Monaten hatten wir schonmal in Würzburg ein Vorbereitungstreffen organisiert. Das Boot kenne ich im Prinzip auch: ein Lagoon 52F Katamaran namens Ketoupa. Und dieser Katamaran wartet im Moment in der Werft in Bordeaux auf die Crew.

Start mit Hindernissen

Dabei sieht es heute morgen nochmal so aus, als könnte sich alles in Luft auflösen. Der Verspätungs-Alarm der Deutschen Bahn teilt mir per SMS mit, dass mein erster Zug nach Saarbrücken ausfällt. Glücklicherweise ist dies nur ein administratives Problem aufgrund der Baumaßnahmen auf der Nahestrecke, was dazu führt, dass mein Zug eine andere Zugnummer hat als normal… Aber der Zug fährt, und somit beginnt mein Abenteuer planmäßig.

Etwas nachdenklich ob der Herausforderungen dieses Törns, aber auch voller Vorfreude sitze ich im Zug. Erst geht es Richtung Saarbrücken, und nach einer knappen Stunde Aufenthalt auf dem dortigen Bahnhof mit dem ICE weiter nach Paris-Est. Dort steht dann der obligatorische Banhhofswechsel nach Paris-Montparnasse mit der Metro an, der sich aber entgegen aller Befürchtungen als problemlos erweist. Etwas gewöhnungsbedürftig ist hingegen das Prozedere zur Weiterfahrt mit dem Ouigo, einem Billigzug (in Analogie zu Billigfliegern) der französischen SNCF. Dort kann man nicht einfach auf den Bahnsteig gehen und einsteigen. Ähnlich wie beim Boarding an Flughäfen werden die Tickets zentral schon im Vorfeld kontrolliert, bevor sich der ganze Tross von Reisenden auf einmal zum Banhsteig begibt und je nach Reservierung auf die Waggons verteilt. Der Zug ist aber nicht einmal ausgebucht, und die erwähnte Prozedur sowie das Fehlen von Servicepersonal im Zug werden durch den günstigen Preis (21 Euro von Paris nach Bordeaux, großes Gepäck inklusive) mehr als wett gemacht.

Erster Abend mit der Crew in Bordeaux
Erster Abend mit der Crew in Bordeaux

In Bordeaux erwartet mich dann erstmal sintflutartiger Regen, so dass ich nach dem etwas länger als erwarteten Weg zu meinem Hotel (einer Absteige in einem Industriegebiet) schonmal nasse Füße habe. Der Rest des Abends erweist sich allerdings als angenehm: ich treffe mich mit einem Teil der Crew in einem Restaurant in Innenstadtnähe, und wir tauschen uns schonmal über die Erwartungen an das vor uns liegende Abenteuer aus.

Start mit Hindernissen, Teil 2

Am nächsten Morgen treffen wir uns kurz vor dem vereinbarten Übernahmezeitpunkt an Eingang der Werft, Construction Naval Bordeaux (CNB). Wir, das sind Peter, Günter und ich, die wir bis Guadeloupe an Bord bleiben wollen. Dazu gesellen sich Dieter, Wlad und Urs, die nur die erste Etappe bis Funchal dabei sein werden, sowie Jan, unser Skipper. Schon beim Betreten des Werftgeländes werden wir von einem Angestellten mit der Tatsache konfrontiert, dass unsere Yacht noch nicht fertig sei, und die darauf folgende Konversation lässt Schlimmes befürchten.

Erst die Begehung der Yacht durch Jan mit anwesenden Technikern lässt uns aufatmen: Fertig ist sie noch nicht, aber die restlichen Arbeiten lassen sich wohl binnen zwei Tagen abschließen, so dass wir am Wochenende loskämen. Nicht ganz wie geplant, aber besser als die befürchteten acht bis zehn Tage Wartezeit in Bordeaux, die Dieter aufgrund seines Rückflugtermins von Funchal schon diverse Alternativszenarien durchspielen ließen. Ich selber bin trotz der Verzögerung relativ entspannt: mein Rückflug von Guadeloupe ist für den 24. Dezember geplant, und somit habe ich nacht hinten raus locker eine Woche Reserve. Noch ahne ich nicht, was uns in der Biskaya erwarten wird.

Die Verzögerung hat auch etwas Gutes: Wlad findet in der Nähe der Werft ein portugiesisches Restaurant, das für die nächsten drei Tage eine Art zweite Heimat für uns wird. Wir probieren verschiedene Speisen durch, unter anderem gegrilltes Kaninchen, und zum Abschluß gibt es immer einen recht heftigen portugiesischen Schnaps, entweder pur oder als Ergänzung im Kaffee. Darüberhinaus werden wir von den netten Bedienungen als „Les 7 Allemands“ ins Herz geschlossen.

Eklo Hostal Bordeaux
Eklo Hostal Bordeaux

Die folgende Nacht verbringen wir gemeinsam noch im Eklo Hostal in Bordeaux. Die Anordnung der Betten im gebuchten Zimmer für acht Personen hat schon ein gewissen Kojen-Feeling. Am folgenden Tag können wir mit der Ketoupa immerhin schon eine kurze Probefahrt auf der Garonne machen und die Einkäufe organisieren. Das Büro bei CNB, das wir als Aufenthaltsraum nutzen können, sieht abends aus wie ein Warenlager im Supermarkt. Noch am selben Tag können wir dann unsere Kojen an Bord beziehen. Wenn auch erstmal nur zum Schlafen, denn noch einen Tag wird an der Ketoupa gearbeitet werden. Während wir also weitere Einkäufe erledigen und beim Portugiesen zu Mittag essen, wird an Bord gefeilt, lackiert, geschraubt, und was sonst noch so an Arbeiten in letzter Minute anfällt.

Abends ist es an der Zeit für den endgültigen Bezug der Yacht. Wir verstauen die Lebensmittel und alles weitere, befestigen Beiboot und Rettungsinseln, inspizieren die Elektrik und sonstige Ausstattung, und genehmigen uns zusammen mit einem kleinen Abendessen auch schon die ersten Biere an Bord. Es scheint alles bereit zu sein für die große Fahrt.

Dann, im Morgengrauen des Samstag, 9. November, brechen wir auf.