Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann ich – im Wortsinne – mit meinen Eltern in Urlaub gefahren bin. Noch nicht ganz so lange her ist ein Besuch meiner Eltern in Frankreich oder ein Besuch meiner Mutter in Arizona, als ich jeweils dort gewohnt habe. Und nun dauerte es immerhin vierzehn Jahre, bis meine Mutter mich in Chile besucht. Warum so lange? Nun, das hat wohl verschiedene Ursachen. Eine davon ist vermutlich die Tatsache, dass so ein Besuch und das damit verbundene Touristik-Programm Zeit benötigt, die ich vorher nicht hatte. Oder vielleicht auch nur nicht zu haben glaubte. Wie dem auch sei: jetzt habe ich Zeit, und meine Mutter ist hier. In Chile. Mit ihr Gisela, eine langjährige gute Freundin.
Das Schöne an so einem Besuch – neben dem zwischenmenschlichen – ist, dass man mal wieder einige Orte besucht, an denen man schon lange nicht mehr war, und diese mit den Augen eines Touristen (wieder) neu entdecken kann. San Pedro de Atacama steht auf dem Programm, genauso wie Valparaiso, Pucón und Pichidangui. Und natürlich Santiago. Keine Panik, ich werde euch hier sicher nicht mit einer detaillierten Beschreibung unserer Aktivitäten langweilen. Aber einige Highlights möchte ich schon rauspicken…
Touri-Rummel in der Wüste
San Pedro de Atacama war während meiner Zeit bei Apex nicht nur mein regulärer Arbeitsort, sondern so etwas wie ein zweites Zuhause. Hier habe ich in den vergangenen vierzehn Jahren mehr Zeit verbracht als irgendwo sonst. Und so habe ich auch die Veränderungen mitbekommen, die hier stattfanden. Die größte – mal abgesehen von dem Anstieg der Touristenzahlen und dem vermehrten Auftauchen von Luxushotels – ist sicher die Einführung von Eintrittsgeldern an allen Ecken und Enden. Was hier passiert ist, kann man vielleicht folgendermaßen beschreiben: irgendwelche findigen Landsleute haben vor Jahren das touristische Potential der Gegend erkannt und mit Agenturen, Hostals oder Restaurants davon profitiert. Irgendwann fühlten sich die Atacemeños übergangen und wollten auch ihren Teil vom Kuchen. Also haben sie all das Brachland als Stammeseigentum deklariert, vielfach den Zutritt verboten (mit „Privateigentum“-Schildern) oder Kassenhäuschen installiert. Dass dann Eintrittspreise von etwa 20 Euro, um in der salzhaltigen „Laguna Cejar“ zu schwimmen, mit der über den Preis gesteuerten Eindämmung des angeblich naturschädigenden Touristenstroms gerechtfertigt werden, klingt wie Hohn, wenn die Zugangsstraße zu dieser Lagune just kurz vor der Erhöhung des Eintrittspreises ausgebaut wurde. Genauso wie die Tatsache, dass man in Katarpe Eintritt bezahlen muss, um eine mit Steuergeldern instand gehaltene Straße zu benutzen.
Aber so ist das in der Marktwirtschaft: so lange die Leute bezahlen, verlangt man, was geht. Und ja, die Leute kommen und lassen sich wie die Llama-Herden von mitunter schlecht informierten und unfreundlichen Guides durch die Attraktionen scheuchen. Zum Glück buchen wir keine Touren, sondern sind mit einem Mietauto unterwegs. Und als man uns an den Salzgrotten – normalerweise erster Stop im Valle de la Luna – anblökt, wir sollten uns hinten anstellen, weil jener Guide erst mit seiner 20-köpfigen Gruppe durch will, entscheiden wir uns, zunächst einmal weiterzufahren.
Llamas und Vicuñas
Zum Glück bleiben uns weitere negative Erfahrungen dieser Art im Wesentlichen erspart – wohl auch, weil wir die folgenden Tage eine andere Zeiteinteilung haben als die kommerziellen Touren. So besuchen wir den Aussichtspunkt „Piedra de Coyote“ am Vormittag, die Laguna Chaxa mit ihren Flamingos am Spätnachmittag, und als wir in den Altiplano Richtung Bolivien/Argentinien fahren, sind wir eh mehr oder weniger allein. Dieser Ausflug fernab der Touristenströme ist letztendlich wohl der schönste: An einem Wasserlauf östlich des Salar de Pujsa haben wir eine Vicuña-Herde fast zum Greifen nahe, und am Salar de Aguas Calientes gelangen wir tatsächlich zur blendend weißen Salzoberfläche. Als wir auf dem Rückweg dann auch noch durch eine Llama-Herde fahren, ist der Tag perfekt. Weitere Attraktionene, die wir während unseres Aufenthaltes ansteuern, sind Lagunen im Altiplano, das Geysirfeld von El Tatio, oder auch das kleine Atacameño-Dorf Machuca, wo wir Ziegenkäse-Empanadas und Llamafleisch-Spieße probieren.
Mein Fazit zu San Pedro de Atacama: Trotz der landschaftlich schönen Umgebung und des entspannten Hippie-Flairs ist dieses Wüstendorf mittlerweile einfach zu überlaufen, mit all den negativen Auswirkungen, die der Massentourismus mit sich bringt. Ich bin froh, dass ich es erleben durfte, als viele Attraktionen noch umsonst waren. Schön ist, dass man auch heute noch Restaurants mit annehmbaren Preisen findet (etwa das absolut empfehlenswerte Barros an der Ecke Licancabur/Tocopilla, oder das Ckunza Tilar am oberen Ende von Caracoles); wer da noch in die teuren und überfüllten Läden wir das Adobe geht, ist selbst schuld.
Nach ein paar schönen Tagen verabschiede ich mich – wieder einmal – von San Pedro, wohl wissend, dass ich im April doch nochmal wiederkomme. Im nächsten Post geht es mit Muttern und Gisela aber erstmal nach Valparaíso, in die als Weltkulturerbe ausgezeichnete Hafenstadt im Zentrum Chiles.