Als ich aufwache, muss ich mich erstmal orientieren. Ach ja… ich campe mitten im Dschungel, eigentlich illegalerweise, und auch noch mitten auf dem Wanderweg. Auf den Morgenkaffee muss ich heute verzichten, habe ich mein Gepäck doch auf externe Versorgung eingestellt. Sprich: Ich habe weder Lebensmittel dabei, noch eine Möglichkeit, diese zuzubereiten. Das ist aber hier auf Ilha Grande im Normalfall auch gar kein Problem, außer man befindet sich in einer Situation wie ich jetzt. Ich gönne mir daher nur ein paar Kekse, die ich im Rucksack finde, und sehe dann zu, dass ich zusammenpacke und abbaue. Wer weiß, ob hier am frühen Morgen nicht doch noch Leute vorbeikommen, die von einem Dorf zum nächsten wandern.

Über das Wetter kann ich mich im Moment nicht beschweren. Es regnet nicht und ist mäßig bewölkt. Naja, an der Luftfeuchtigkeit kann man nichts machen. Als mein Krempel nahezu vollständig im Rucksack ist, kommt tatsächlich ein Mann in etwa meinem Alter vorbei. Mit ihm ein Hund, der mit seinem Gekläffe den ganzen Urwald aufweckt, aber der wohl mehr Angst vor mir hat als ich vor ihm. Es war also keine schlechte Idee, zeitig zusammenzupacken. En Blick auf die Karte offenbart, dass ich gestern doch noch recht weit gekommen bin, und wenn es heute so weiter geht, ich wohl bis Aventureiro kommen kann. Oder zumindest bis Provetá. Im ersten Fall könnte ich mir dann morgen wohl einen Ruhetag gönnen. Aber erstmal losmarschieren und schauen, wie es läuft.

Versuchung in Araçatibinha

Ich bin kaum fünf Minuten unterwegs, da tauchen schon ein paar Hütten auf. Ich bin in Praia Longa, und ziemlich froh über meinen Übernachtungsplatz, den ich gestern offenbar genau im richtigen Moment gefunden hatte. Wenn ich hier am Strand hätte kampieren wollen, hätte ich sicher Ärger bekommen, und ein offizieller Zeltplatz ist nicht in Sicht. Alles sehr rustikal hier, man kommt sich vor wie ein Eindringling, da die Pfade manchmal quasi durch die Hinterhöfe der Hütten gehen. Leute sind hier nur zu hören, sehen tue ich niemanden. Ich marschiere also weiter und gelange nach einem weiteren Auf-und-Ab in die Bucht von Araçatiba. Hier ist zwar auch noch nichts los um diese Uhrzeit (und natürlich ist im Moment Winter und unter der Woche…), aber es gibt so etwas wie Infrastruktur. An Sommerwochenenden kommen hier sicher viele Touristen an.

Strand von Araçatibinha
Strand von Araçatibinha

An einer Art Strandbar kaufe ich mir ein paar Liter Wasser und ziehe weiter. Dann, am Ende des Ortes, entdecke ich links am Hang das „Bem Natural“, eine Pousada, die mir Ilma aus Saco do Céu ans Herz gelegt hat. Sieht eigentlich ganz nett aus, mit Zeltwiese, aber will ich wirklich mittags schon mein Zelt aufschlagen? Diese Frage beantworte ich klar mit Nein, bis ich fünf Minuten später nach Araçatibinha komme. Na, das ist doch jetzt mal eine paradiesische kleine Bucht. Und um noch eins draufzusetzen, kommt auch direkt die Sonne raus. Bleibe ich vielleicht doch eine Nacht hier? Ich denke nach. Einfach in die Badehose und ein paar Stunden am Strand relaxen? Abends lecker essen und auf weichem Gras zelten? Hetzt mich eigentlich jemand? Schweren Herzens ziehe ich dann doch weiter. Eine Vernunftsentscheidung. Noch weiß ich nicht, was mich die nächsten Stunden und Tage erwartet, daher gehe ich auf Nummer Sicher. Ein oder zwei Reservetage können bei so einem Abenteuer nicht schaden.

(Não) Temos Wi-Fi

Provetá
Provetá

Ich gelange jetzt langsam auf die Südseite der Insel. Eigentlich müsste man sich viel mehr Zeit lassen für diese Rundwanderung. Dann hätte ich in Araçatibinha bleiben können, oder hätte mir die Zeit nehmen können, den Wanderweg Nummer 7 auf die weiter westlich gelegene Halbinsel zu nehmen, wo es wohl eine Grotte und – logisch – weitere schöne Strände gibt. Das entgeht mir alles, zumindest bei diesem Besuch. Stattdessen komme ich nach Provetá, eine richtige Kleinstadt, wie ich sie hier nicht erwartet hätte. Eine Kirche, gepflasterte Straßen… aber soweit ich sehe, kein Tourismus wie in Abraão. Am Strand dann ein Riesenschild: „Bar e Restaurante Cristiano. Temos Wi-Fi“. Nun ist mir das W-LAN relativ egal, aber ich würde es wohl in Anspruch nehmen, während ich was esse. Aber ungeachtet der Größe des Schildes ist das Restaurant, zu dem ich gelange, verriegelt und verrammelt. Kein Mensch hier, alles zu. Kein Essen, kein WLAN. Sei’s drum.

Ich folge dem Strand und gehe dann weiter nach Südosten, im Gefolge ein halbes Dutzend Schulkinder. Ein netter junger Mann schickt mich allerdings bald zurück, denn der Abzweig nach Aventureiro ist ein steiler Pfad, der links den Hang hochgeht und kaum sichtbar beschildert ist. Man verläuft sich hier auf der Insel manchmal wirklich leicht, aber wenn man fragen kann, sind die Menschen auch sehr hilfsbereit, und schicken einen immer wieder auf den richtigen Weg.

Tote Hose in Aventureiro

Und der richtige Weg nach Aventureiro hat es in sich. Es geht steil berghoch, mit schönen Aussichten auf die Bucht von Provetá, aber ohne Pause. Drei Stunden sind es nach meiner Information bis Aventureiro; umso erstaunter bin ich, als ich bereits nach einer Stunde auf einer Passhöhe ankomme, hinter der es direkt wieder abwärts geht. Und so komme ich früher als erwartet in Aventureiro an, wo ich mich für zwei Nächte bei Camping do Luis einquartiere. 25 Reais pro Nacht bezahle ich, das scheint mir ein fairer Preis zu sein. Die Infrastruktur ist okay, und ein Zaun zum Weg gibt einem ein bisschen ein Sicherheitsgefühl (oder zumindest das Gefühl, nicht direkt auf der „Hauptstraße“ zu campen). Angegliedert ist ein Restaurant, wenn man das denn so nennen kann, und hier sitzen auch ein halbes Dutzend Leute bei meiner Ankunft. Später dann bin ich allerdings der einzige Gast, aber das Essen (Fisch mit Reis und Bohnen) ist lecker.

Da die Sonne hier im Winter früh untergeht, bin ich schon um sieben im Zelt, und nach dem Kopieren und Sortieren von Fotos auch alsbald im Schlafsack. Etwa gegen neun wird der Generator ausgeschaltet, und dann ist hier Nachtruhe. Welch ein Kontrast zu Abraão.

Camping do Luis in Aventureiro
Camping do Luis in Aventureiro