Die „Todesstraße“, wie sie auf Deutsch heißt, ist insgesamt etwa 80km lang und verbindet La Paz in Bolivien mit der Yungas -Region weiter östlich, die etwa 3000 Höhenmeter niedriger liegt. Bis in den Neunziger Jahren eine neue, asphaltierte Straßenverbindung gebaut wurde, war sie die einzige Verbindung zwischen La Paz und Coroico. Aufgrund ihrer Lage am Berghang (rechts die Wand, links der Abgrund oder so ungefähr) und dem allgemein schlechten Zustand gilt sie als gefährlichste Straße der Welt. Seitdem die neue Verbindung existiert, gibt es allerdings kaum noch motorisierten Verkehr, dafür wird sie bei Mountainbikern immer beliebter.
Der örtliche Tourismus hat sich darauf eingestellt, und verschieden Agenturen bieten Radtouren auf dieser Straße an. Als alte Radfahrer konnten wir das bei unserem Besuch in La Paz natürlich nicht auslassen. Also haben wir bei Vertigo Biking in La Paz eine Tour gebucht.
Früher Start bei Kälte
Los geht’s morgens um acht am Büro der Agentur. Wir sind eine kleine Gruppe von fünf Personen, neben Sandra, meiner neuen Nichte Patricia und meiner Wenigkeit sind noch zwei französische Touristen dabei. Und erstmal geht’s eine gute Stunde im Van bergauf. Bis auf einen Pass mit dem Namen La Cumbre, auf knapp 4800 Metern. Hier werden Fahrräder, Helme und so weiter verteilt, wir genießen noch ein wenig die Aussicht in dieser kargen, trockenen Berglandschaft, und nach einer kurzen Einweisung in die Räder und die vor uns liegende Strecke geht’s los.
Der Anfang ist alles andere als gefährlich, aber dafür umso atemberaubender. Auf einer gut asphaltieren, zweispurigen Straße geht es abwärts. Dies dient zum einen der Gewöhnung an das Rad, den Helm und die Klamotten, aber auch, um einfach – ohne die objektiven Gefahren der eigentlichen Todesstraße – eine schöne Abfahrt genießen zu können. In einem alpinen (genauer: andinen) Panorama geht es abwärts, unterbrochen von einigen Fotostopps, bis wir nach etwa eineinhalb Stunden in einem kleinen Dorf ankommen, wo nicht nur eine Touristensteuer bezahlt werden muß (quasi ein „Eintritt“ für die Straße, die von den lokalen Communities verwaltet und einigermaßen in Schuß gehalten wird, seit der Staat die neue Straße eröffnet hat), sondern uns auch ein Snack erwartet. Quasi ein zweites Frühstück, mit Sandwiches, Früchten, Saft und so fort. Hier kann sich jeder stärken und es bleiben keine Wünsche offen. Danach geht es etwa 10km im Van weiter, bis zum Beginn der eigentlichen Attraktion. Hier biegen wir nach rechts ab auf eine Schotterpiste, und gelangen alsbald zum Startpunkt des wirklichen, tatsächlichen Camino de la Muerte.
Radfahren am Abgrund
Nach einer kurzen Pause geht es auf den Rädern weiter. Und nun geht’s wirklich los. Schotter und Steine, im allgemeiner gut befahrbar, nur hin und wieder ein wenig rutschig. Rechts die Bergwand, links der Abgrund. Und das alles eingerahmt von einer am Anfang noch gemäßigten, alsbald aber subtropischen Vegetation. Von der Kälte am Start ist auch keine Spur mehr. Wir sind mittlerweile auf unterhalb 3000 Metern, die Sonne brennt, und die langen Klamotten mit der warmen Jacke wurden bereits oder werden bald gegen Shorts und ein kurzärmeliges Trickot eingetauscht.
Die Aussichten sind wirklich fantastisch. Hier wird links gefahren, damit – das ist die Idee – der gemeine Autofahrer den links von ihm liegenden Straßenrand und den Abstand zum Abgrund besser einschätzen kann. Auf den Fahrrädern ist das relativ egal, hat aber den Effekt, dass man näher am Abgrund fährt. Es ist zwar kaum Verkehr, aber träumen sollte man auf dem Rad trotzdem nicht, sonst geht’s abwärts und man begreift den Namen der Straße in einer sehr persönlichen und unwiderbringlichen Art und Weise…
Wirklich in ernste Gefahr kommt aber keiner der Gruppe. Es gibt insgesamt einen Sturz, aber nicht in den Tod, sondern „nur“ auf der Straße und ohne große Konsequenzen. Auch hier machen wir zahlreiche Fotostopps. Und auch ein paar unfeiwillige, da bei einem Rad die Bremsen eher mäßig funktionieren und nachgestellt werden müssen, und bei einem anderen die Kette ständig abspringt. Die Qualität der Räder läßt schon ein wenig zu wünschen übrig, aber das ist auch der einzige Kritikpunkt, dem sich Vertigo Biking stellen muß. Ansonsten ist die Tour gut organisiert, wir haben immer einen Guide bei uns und den Van mit Fahrer und Mechaniker in Personalunion mit einigem Abstand hintendran. Wenn jemand also „aufgeben“ wollte, so würde das kein Problem darstellen.
Ausklang im Pool
Nach insgesamt etwa viereinhalb Stunden, seit wir auf 4800 Metern in den Sattel gestiegen sind, endet der Spaß auf 1200 Metern Höhe in der Nähe von Coroico. Die Räder werden aufgeladen, und dann geht es im Van weiter auf einen kleinen Campingplatz. Aber nicht um zu campen, sondern hier gibt es für uns noch ein gutes Mittagessen, bevor wir während etwa eineinhalb Stunden den ebenfalls vorhandenen Swimming-Pool genießen können. Die Temperaturen sind hier unten subtropisch, welch eine Wohltat nach der Kälte von La Paz in den vergangenen Tagen. Wir nutzen die Zeit ausgiebig zum schwimmen und relaxen, bevor es zurück nach La Paz geht, wo wir gegen sieben Uhr abends ankommen.
Fazit: Klar sagt man sich immer, ohne Tour, mit dem eigenen Rad und aller Zeit der Welt wäre es wohl noch besser gewesen. Aber da die wenigsten mit dem eigenen Fahrrad hier herkommen, lohnt sich die Tour auf alle Fälle. Neben den spektakulären Aussichten ist es nicht zuletzt auch die Tatsache, dass man praktisch durch sämtliche südamerikanische Klimazonen fährt. Und das mit dem Rad in nur wenigen Stunden. Es gibt wohl nur wenige Orte, wo so etwas möglich ist.