„Von Reisen in folgende Regionen wird dringend abgeraten: […] Bundesstaat Guerrero, mit Ausnahme von Ixtapa-Zihuatanejo bei Anreise per Flugzeug.“ So steht es auf der Webseite des Auswärtigen Amtes. Und auch wenn ich die dortigen Hinweise, vor allem im Hinblick auf meine Aufenthalte in Rio de Janeiro, meist als übervorsichtig ansehe, habe ich doch einiges an Respekt bezüglich der Sicherheitslage in Mexiko.
Aber es hilft ja nichts. Maude, eine Kanadierin, die ich vor fünf Jahren beim Tauchen auf den Bahamas kennenlernte, hat in Zihuatanejo ihr Tauchzentrum, und dort will ich meinen Divemaster-Kurs absolvieren. Zumindest die Anreise per Flugzeug ist unproblematisch, und die regionale oder lokale Sicherheitslage kann ich immer noch vor Ort abchecken. Beim Landeanflug fällt mir die recht schöne Landschaft im Hinterland ins Auge, mit Erdpisten, die sich die Hänge hochziehen und mich an meine Radtouren in Chiles IV. Region erinnern. Maude meint, Radtouren ins hiesige Hinterland seien aufgrund der Präsenz der Drogenkartelle mit Vorsicht zu genießen. Also konzentriere ich mich besser erstmal auf die Taucherei.
Zihuatanejo
Etwa sieben Kilometer nordwestlich von Zihuatanejo liegt Ixtapa (mit dem offiziellen Namen Ixtapa-Zihuatanejo), eine in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts am Reißbrett entworfene Touristen-Stadt. Im Gegensatz dazu ist das eigentliche Zihuatanejo ein seit dem neunzehnten Jahrhundert ständig bewohntes Fischerdorf, das es auf mittlerweile knapp 70.000 Einwohner bringt. Mittlerweile hat ein US-amerikanisch geprägter Lebensstil Einzug gehalten, aber die Fischerei bleibt nach wie vor ein Kennzeichen der Stadt, mit einem just Anfang Mai stattfindenden Angelturnier. Das verkehrsberuhigte Zentrum hat jedoch einen gewissen kolonialen Charme bewahrt, und beherbergt neben Kunsthandwerk- und Andenkenläden vor allen kleine, gemütliche Restaurants.
Und mittendrin liegt Dive Zihua, Maude’s Tauchzentrum. Und als ich nach meiner Ankunft in Jeans und Jacke mächtig schwitze, während der Rest der Welt hier in kurzen Shorts und T-Shirt rumläuft, kommt dann auch gerade rechtzeitig mein PADI Divemaster Crew Pack an. Na, das ist ja eine ganze Menge an Lektüre für die nächsten Wochen. Aber bevor es richtig losgeht, lassen wir es langsam angehen. Am nächsten Morgen machen wir zwei Tauchgänge just for fun, die mich allerdings aufgrund der eher mäßigen Sichtverhältnisse und der Wassertemperatur von nur etwa 20 Grad schon ein klein wenig enttäuschen. Kein Vergleich mit der Taucherei in der Karibik.
Die folgenden Tage verbringe ich neben dem Studieren meiner Unterlagen vor allem mit dem Eingewöhnen. Zihua, wie die Einheimischen ihre Stadt nennen, kennenlernen. Herausfinden, was die Stadt zu bieten hat und wo man was kaufen kann. Und ich lerne außer Maude bereits einige weitere Personalien aus Zihuas Tauchszene kennen. Allen voran Lara, Maude’s Bootskapitän und anerkannter Tauchequipment-Reparierer. Mit seiner mexikanischen „Irgendwie passt das schon“-Mentalität ist er richtig sympathisch, auch wenn seine Unverbindlichkeit bei Abmachungen Maude manchmal in den Wahnsinn treibt. Er erzählt mir von der Entführung seines Sohnes, den er nur nach Zahlung von 2000 Dollar Lösegeld wieder lebend zu Gesicht bekam. Und von dem mexikanischen Mindestlohn von umgerechnet 100 Dollar im Monat, von dem man wohl auch hier nicht wirklich überleben kann.
Auf dem Weg zum Divemaster
Währenddessen gewöhne ich mich an die Erwartungen, die an einen Divemaster gestellt werden. Bei einem Tauchgang helfe ich einer Kundin, deren Taucherweste die Luft nur nach gutem Zureden entweichen läßt. Bei einem anderen mache ich bereits die Tauchgangs-Vorbesprechung, das sogenannte Briefing. Und vor und nach den Tauchgängen kümmere ich mich um die Ausrüstung und die Tauchflaschen.
Die von PADI geschickten Unterlagen zum Thema überraschen mich eher positiv. Im Gegensatz zu manchen früheren Kursen ist das Lesen des Divemaster-Manuals keine langweilige Pflicht, sondern macht geradezu Lust darauf, im Kurs voranzukommen und anschließend sogar die Ausbildung zum Instructor (also Tauchlehrer) in Betracht zu ziehen. In meiner Begeisterung studiere ich schon mal die Webseiten von einschlägigen Tauchzentren, die Instructor-Kurse anbieten, sowohl in Mexiko als auch in Thailand. Aber ich sollte mich wohl lieber erstmal darum kümmern, meine kurzfristigen Ziele zu verwirklichen. Und wer immer nur von der Zukunft träumt, versäumt so nebenbei auch, im Hier und Jetzt zu leben.
Die nächsten Tage werden daher eine gesunde Mischung aus Selbststudium und Entspannung am Strand. Während am Strand „La Ropa“ die Hitze mich alle zehn Minuten ins Wasser und alsbald auch wieder nach Hause treibt, finde ich tags darauf einen schattigen Platz am „Paseo del Pesquador“, der ein bisschen Strand-, Wind- und Wellenfeeling bietet und es mir dennoch ermöglicht, mich auf das Studium der Unterlagen zu konzentrieren.
Was mir dennoch im Moment ein bisschen fehlt, ist, die Umgebung kennenzulernen, und das Ganze idealerweise mit dem Fahrrad. Aber während ich diesen Post hier schreibe, bleiben mir noch drei Wochen. Also lieber erstmal die Theorie in den Kopf bekommen, damit ich nächste Woche fit bin für die Praxis im Schwimmbad und auf Tauchgängen mit Kunden. Um den touristischen Aspekt meines Aufenthaltes hier kann ich mich dann immer noch kümmern. Aber das Kulinarische ist jetzt schon dran: Fisch und Garnelen auf dem Teller, dazu eine XXL-Margarita in einem der Strandrestaurants… so läßt sich’s aushalten.