Wenn man über ein Portal wie booking.com ein Hostal bucht, ist man bei der Auswahl darauf angewiesen, dass die Beschreibung und die Bilder korrekt sind. Ferner gibt es Bewertungen und Kommentare, die einem helfen, die Unterkunft zu beurteilen. Was aber, wenn die Leute, die die Kommentare abgeben, keine Ahnung von den, ich sage mal, „Standards“ in einem Land haben? Oder gewisse Dinge einfach nicht erwähnt werden?

Erwartungen und Realität

Um die ersten Tage auf Ilha Grande, einer Insel in der Nähe von Rio de Janeiro, etwas entspannter zu gestalten und nicht eine Unterkunft bei Ankunft vor Ort suchen zu müssen, habe ich im Vorfeld für drei Nächte die Jungle Lodge (nicht zu verwechseln mit der „Atlantica Jungle Lodge“ an der Praia do Pouso im Südosten der Insel) gebucht. „Hört sich gut an“ dachte ich. Ein bisschen außerhalb, im Dschungel, mit den Geräuschen des Waldes, einer guten Aussicht und fernab jeglichen Trubels. Eigentlich genau das Richtige. Und dazu in den Kommentaren „Leckeres Frühstück“, „very good breakfast“, „breakfast is great“, etc. Aber zum Frühstück kommen wir später…

Die positiven Aspekte der Unterkunft gibt es tatsächlich: Mitten im Dschungel gelegen, mit herrlicher Aussicht über die Bucht von Abraão. Dazu ein freundlicher Besitzer mit einer gewissen Hippie-Attitüde (er würde wohl gut ins Ibiza der 70er passen), der einem Tips zu Ausflügen bis hin zur Inselumrundung geben kann. Der halbstündige Aufstieg vom Dorf ist zwar anstrengend und beim fünften Mal auch nicht mehr sooo interessant, aber doch irgendwo ein Abenteuer, vor allem nachts, wenn die Mehrzahl der Touristen in ihre Hostals mitten im Ort zurückkehren und man selber noch eine kleine Dschungelwanderung machen kann/darf/muss.

Dass die Anreise mit Rollkoffer praktisch unmöglich ist und auch bei Regen nicht wirklich angenehm, ist ein negativer Aspekt, über den man sich im Vorfeld klar sein sollte. Aber das sind nicht meine Hauptkritikpunkte. Die Jungle Lodge bietet schlicht und einfach keine adäquate Insfrastruktur für den verlangten Preis. Man nächtigt in einem sehr spartanisch eingerichteten Zimmer (ein Bett, ein Regal) im Haus des Besitzers, der nebenan sein Zimmer hat, zu welchem es keine Schallisolation gibt. Man hört alles! Die Elektroinstallation sind wild rumhängende Kabel, Bad und Küche werden gemeinsam benutzt (Sauberkeit naja), und die einzige sinnvolle Aufenthaltsmöglichkeit zum Beispiel bei Regen ist die Terrasse.

Aussicht über die Bucht von Abraão
Aussicht über die Bucht von Abraão

Auf dieser Terrasse gibt es das Frühstück mit Aussicht: Kaffee mit Milch, Toastbrot, Rührei, Butter, Käse (abgezählt) und ein paar Fruchtstücke. Kein Saft, kein Schinken, keine Marmelade, kein Joghurt. Am dritten Tag gibt es noch nicht mal Käse, weil der amigo, der ihn aus dem Dorf mitbringen wollte, noch nicht angekommen ist. Wie bitte? Wird hier wirklich das Wohl des zahlenden Gastes von irgendwelchen (unzuverlässigen) Bekannten abhängig gemacht? In Brasilien ist das Frühstück eigentlich immer ein Highlight der Übernachtungen, aber hier weiß ich echt nicht, wie es sogar positiv in manchen Bewertungen Eingang finden konnte.

Endstation Hippie

Und damit kommen wir zum Hauptproblem: Dino, der Besitzer. Ein netter Kerl, zweifellos, und hilfsbereit. Der Gute ist so um die 50, hat wohl ein bewegtes Leben hinter sich und will jetzt einfach nur zusammen mit seinem Hund eine ruhiges Leben führen. Dass dies, zusammen mit ein paar über den Tag verteilten Bieren und Joints aber nicht ausreicht, ein Hostal zu führen, ist aber leider noch nicht zu ihm durchgedrungen. Man kann nicht einfach ein paar Zimmer des Hauses an Touristen vermieten und hoffen, damit ist alles geregelt. Der fehlende Käse ist hier nur eine Sache. Am Vorabend hat Dino mich gefragt, ob ich nach dem Abendessen Brot aus dem Dorf mitbringen könnte. Das habe ich nicht gemacht, und ich nehme an, er und seine Partnerin haben nicht gefrühstückt, damit noch ein paar Scheiben für mich da sind. Auch, dass er ein Bier, welches ich abends im Kühlschrank gelassen hatte, morgens um neun wegtrank, ist eher befremdlich. Sowohl wegen der Uhrzeit als auch wegen der Tatsache, dass es das Bier des Gastes war (okay, er hat es dann bis zum Abend ersetzt). Als Besitzer des Hostals müsste er dann halt auch mal selber den Weg ins Dorf antreten und die nötigen Einkäufe erledigen.

Was macht Dino sonst? Ich glaube, gar nichts. Er hat mir vom Jazz & Blues Festival in Abraão erzählt, ohne aber selber auch nur einmal dorthin gegangen zu sein. Er geht auch nicht zum Einkaufen, Lebensmittel bringt offensichtlich immer ein Kumpel mit (mit Rastalocken bis zum Boden…). Wenn die Sonne untergeht, verzieht Dino sich in sein Zimmer und kommuniziert über sein Handy mit wem auch immer. Und die Einnahmen aus dem Hostalbetrieb müssen ansonsten für alles reichen, denn arbeiten tut er nicht. Neee, ich weiß nicht: ein ruhiges Leben ist eine Sache, aber gar nichts mehr machen? Nur rumhängen? In der Natur wohnen und ständig am Bildschirm des Handys kleben?

Zwar war es interessant, ein paar Nächte hier verbracht zu haben. Aber der Preis ist für das Gebotene viel zu hoch, in Abraão bekommt man für das gleiche Geld ein Zimmer mit hervorragendem Frühstücksbuffet und anderen Annehmlichkeiten. Und vermutlich auch mit guten Aussichten, wenn man ein wenig mehr bezahlt. Wenn auch vielleicht nur über den Strand, und nicht von oben über die gesamte Bucht.